Think Tank zum ÖREK 2030

Der Erstellungsprozess zum ÖREK 2030 wird durch einen Think Tank begleitet, der sich aus internationalen und nationalen Expertinnen und Experten aus verschiedensten raumrelevanten Fachbereichen zusammensetzt: Raumplanung, Regionalplanung, Raum- und Regionalentwicklung, Raumforschung, Umweltplanung, Klimawandel, Umweltwandel, globaler und transformativer Wandel, interdisziplinäre Forschung sowie Verhaltensökonomie.

Die Mitglieder des Think Tank unterstützen die Erstellung des ÖREK 2030 durch das Einbringen ihrer Expertise, ihren „Blick von außen" sowie als BotschafterInnen für das neue Österreichische Raumentwicklungskonzept.

Im ÖREK 2030 Think Tank sind vertreten:

  • Lukas Bühlmann, ehem. Direktor der EspaceSuisse, Schweiz
  • Rainer Danielzyk, ARL – Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Deutschland
  • Sigrid Stagl, Institute for Ecological Economics, Wirtschaftsuniversität Wien
  • Karl Steininger, Wegener Center for Climate and Global Change, Universität Graz
  • Verena Winiwarter, Institut für Soziale Ökologie, Universität für Bodenkultur Wien
     (mit Unterstützung durch Friedrich Hauer, Technische Universität Wien)
  • Sibylla Zech, Institut für Raumplanung, Technische Universität Wien

Lukas Bühlmann

Rainer Danielzyk

Karl Steininger

Verena Winiwarter

Sibylla Zech

 

 

 

 

Sigrid Stagl

Wesentliche Fragen für die zukünftige Raumentwicklung in Österreich

Wir haben die Mitglieder des Think Tanks gebeten, uns wesentliche Fragen - und kurze Antworten - dazu zu schicken, die aus ihrer Sicht besonders relevant für die zukünftige Raumentwicklung in Österreich bis 2030 und das ÖREK 2030 als zentrales Leitbild der räumlichen Entwicklung sind.

Worin bestehen für Sie die größten Herausforderungen des ÖREK 2030?

Lukas Bühlmann: Räumliche Entwicklungskonzepte müssen Entwicklungen antizipieren, was grundsätzlich keine einfache Aufgabe ist. Aktuelle Megatrends wie die Digitalisierung, Globalisierung und Individualisierung, aber auch die demografische Entwicklung und der Klimawandel machen diese Aufgabe noch schwieriger; gleichzeitig aber auch spannend. Denn die Auswirkungen dieser Megatrends sind in ländlichen Räumen ganz anders als in den Städten und Agglomerationen und darauf gilt es im ÖREK Antworten zu finden.

Was kann Österreich von der schweizerischen Raumentwicklung lernen?

Lukas Bühlmann: Österreich und die Schweiz sind Binnenländer mitten in Europa, mit einer vergleichbaren Einwohnerzahl und einem föderalistischen Staatsaufbau. Da kann man viel voneinander lernen. Eine große raumplanerische Errungenschaft der Schweiz ist zweifellos die Agglomerationspolitik mit ihrem Anreizsystem zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und dem Ziel, die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung aufeinander abzustimmen. Einen Blick wert ist aber auch die neue Regionalpolitik zur wirtschaftlichen Stärkung der Berggebiete, der weiteren ländlichen Räume und der Grenzregionen. Im Unterschied zu Österreich, wo die Raumplanung ausschließlich Sache der Bundesländer und Kommunen ist, hat der Bund in der Schweiz eine wichtige raumplanerische Koordinationsfunktion. Diese Koordination fehlt in Österreich. Dem ÖREK kommt daher eine sehr wichtige Aufgabe zu.

Wie sieht eine resiliente Raumentwicklung aus, die an den Klimawandel angepasst ist?

Verena Winiwarter und Friedrich Hauer: Raumnutzungskonzepte haben Langzeitwirkung auf die Resilienz von Gesellschaften. Entsprechend der unmittelbaren Zusammenhänge zwischen Energieverbrauch, Verkehrsemissionen und Treibhausgasen steht die Klimakrise (ein besserer Ausdruck als "Klimawandel") oft im Zentrum der nachhaltigen Raumentwicklung. Doch diese Krise ist nicht das einzige Nachhaltigkeitsproblem, auf das Raumentwicklung Rücksicht nehmen muss. Biodiversitätsverlust durch Landschaftszerschneidung und mangelnde Dotierung von Feuchtgebieten mit Wasser weil es anderswo eingesetzt wird, die Austrocknung von Böden und damit einhergehende erhöhte Winderosion durch übermäßige Grundwassernutzung, die Eutrophierung von Oberflächengewässern durch konventionelle Landwirtschaft, Schädlingsbefall in Monokulturen (auch im Wald) müssen für eine resilienzorientierte Planung ebenso berücksichtigt werden, um nur einige offensichtliche Beispiele zu nennen. Resiliente Raumentwicklung bedarf daher der Multikriterienanalyse.

Leerstand und Unternutzung sind von großer Bedeutung für eine nachhaltige Raumentwicklung. Wie kann ihre strukturelle Bedeutung berücksichtigt werden?

Verena Winiwarter und Friedrich Hauer: Dafür braucht es ein konsequentes Bestandsmonitoring, um eine Datengrundlage zu schaffen, die es derzeit nicht gibt, ohne die aber keine Nutzungskonzepte entwickelt werden können. Das betrifft auch die bestehenden Flächenwidmungen und die Frage, ob sie nach einem resilienzorientierten Kriterienkatalog sinnvoll sind und wie weit sie bereits realisiert wurden.

Wie sehen Sie das Vorhaben "ÖREK 2030" im Licht der Situation während / nach der Corona-Pandemie?

Sibylla Zech: Die Leitbilder der Raumplanung haben (wieder) an Bedeutung gewonnen: Die Stadt und Region der kurzen Wege. Multifunktionale Freiräume. Partnerschaften zwischen Land und Stadt. Polyzentrische Strukturen. Regionale Kooperation. Zugleich wurden brennende Themen vielerorts zurrückgereiht: Klimaschutz? Klimawandelanpassung? Dafür haben wir jetzt keine Zeit, schließlich haben wir eine Krise! Oder: Müssen die Krise bewältigen! Andere sind nach dem veordneten "Abstandhalten" neu zu kommunizieren: Kompakt bauen. Umstieg auf den öffentlichen Verkehr. Begegnungszonen.

Bei welchen Themen könnten wir gerade jetzt wirksame Ergebnisse erzielen?

Sibylla Zech: Die Corona-Krise macht bewusst, dass wir viel mehr öffentlichen Freiraum brauchen - ob Naherholungsgebiete, nutzungsoffene Marktplätze oder breitere Gehsteige. Räumliche Disparitäten und prekäre Wohn- und Arbeitssituation sind deutlich sichtbar geworden. Es braucht dringend Quartiersplanung und Flächensicherung für den sozialen Wohnbau sowie gemischte Quartiere - flexibel für Arbeiten und Wohnen. Die Krise hat viel Kooperationserfahrung im Bereich der Gemeinbedarfseinrichtungen und der Daseinsvorsorge gebracht, die weiter genutzt werden können. Gemeinwohlorientierung und in der Krise erprobte, ressourcenschonende Wirtschaftsweisen werden aktuell so breit diskutiert wie noch nie. Arbeiten, Wirtschaften und Transport radikal zu denken, bietet Chancen für eine echt nachhaltige Raumentwicklung.